Solostimmung

Im Zusammenhang mit der sogenannten Solostimmung, worunter die Besaitung Fis-H-E-A verstanden wird, ist oft von Scordatura die Rede. Diese Bezeichnung ist allerdings nicht korrekt, weil damit die Veränderung der Grundstimmung eines Instruments gemeint ist. Davon kann beim Kontrabass kaum die Rede sein, da er bekanntlich eine solche bis weit in das 19. Jahrhundert hinein nicht gehabt hat (wenn man einmal von regionalen Gepflogenheiten absieht).

Vielmehr hat sich die Solostimmung, die als eigenständige Variante neben der Orchesterstimmung existiert, seit Mitte des 19. Jahrhunderts aus verschiedenen Praktiken und Erfordernissen heraus entwickelt:

  • Eine hohe A-Saite war spätestens seit der Wiener Klassik mit ihrer hochentwickelten Solo-Spielkultur unverzichtbar.
  • Das Obertonspektrum der höheren Stimmung war als vorteilhaft für
    solistisches Kontrabass-Spiel erkannt worden.
  • Sämtliche Werke von G. Bottesini waren für eine Solostimmung in Quarten konzipiert (wenngleich er selbst verschiedene Umstimmungen angewandt hat).

In der Folge wurde die Stimmung quasi zum Selbstläufer, weil sie seit Bottesini von fast allen komponierenden Kontrabassisten für das Solospiel bevorzugt worden ist. Dieser Praxis haben sich zum Teil auch renommierte Komponisten des 20. Jahrhunderts, die für unser Instrument geschrieben haben (wie beispielsweise Hindemith, Tubin, Schuller, Henze und Rota) angeschlossen. Andere wiederum bevorzugten die E-A-D-G Stimmung (wie Genzmer oder Francaix), was zur Folge hat, dass jeder solistisch ambitionierte Kontrabassist mindestens zwei Instrumente besitzen muss, wenn er nicht häufig die Saiten wechseln möchte.

Dies ist allerdings nicht der einzige Nachteil der Solostimmung, in der Alfred Planyavsky eine „Drachensaat von neuen Problemen“ gesehen hat. Schwerwiegender ist die Tatsache, dass praktisch keines der Konzerte, die vor 1800 für den Kontrabass geschrieben worden sind, original ausgeführt werden kann (was allerdings ebenso für die Orchesterstimmung gilt). Das bedeutet, dass jeder Kontrabassist, der eine Orchesterstelle anstrebt und dafür beim Probespiel ein klassisches Konzert zu spielen hat, in mehrerer Hinsicht gewissermaßen nur eine Wahl zwischen Not und Elend hat: Sowohl die Stimmung seines Instruments als auch die Fingersätze sind allenfalls Kompromisse. Dirigenten und den meisten Orchestermusikern ist diese Tatsache oft unbekannt. Ferner müssen, hat man sich für die Solostimmung entschieden (was meist der Fall ist), alle Orchesterstellen in der falschen Tonart gespielt werden, wodurch diese schlechter klingen und schwerer ausführbar werden. (Das ist auch der Grund, weswegen von manchen Orchestern für Kontrabass-Probespiele die Orchesterstimmung vorgeschrieben wird.)

Demgegenüber ist ein anderes Problem vergleichsweise klein, wenngleich nicht unbedeutend: Mit der Solostimmung wird der Kontrabass zum transponierenden Instrument in D, weil die Stimme in C notiert ist, aber einen Ganzton höher erklingt. Das führt auch dazu, dass bei der Beibehaltung der Originaltonart für den Solisten, falsche Tonarten des Gesamtwerkes entstehen (beispielsweise E-Dur beim ersten Dittersdorf-Konzert, welches original in D-Dur steht).

Wie man also sieht, ist die Solostimmung zwar populär und inzwischen auch unverzichtbar, stellt aber nicht die optimale Kontrabass-Stimmung dar, nach der seit 500 Jahren gesucht wird.