Bass in Fifths

Joel Quarrington aus Kanada wollte als bestens ausgebildeter, aber immer noch neugieriger Kontrabassist „nur mal sehen, wie es sich leben lässt ohne Extension“. (Damit ist die in Nordamerika übliche Mechanik zur Erzeugung der Töne Kontra C, Cis, D und Dis gemeint, also die Töne, die dem viersaitigen Kontrabass zur Oktavierung des Violoncellos fehlen.)  Über seine Erfahrungen mit der Quintstimmung schreibt er: „Die Physik ist anders, weil man mit dem Rest der Streichergruppe mehr verbunden ist.“ Quarrington ist der Meinung, dass nur mit der Quintstimmung eine harmonische Intonation im Streicher-Ensemble zu erzielen ist: „Es ist unmöglich, den quartgestimmten Kontrabass zu stimmen. Denn wenn man die Quarten perfekt einstimmt, ist die E-Saite zu tief und passt nicht zu den leeren Saiten der anderen Streicher, weil die Verhältnisse auf den Kopf gestellt sind.“

Quarrington hat einige Nachahmer gefunden, aber wohl keiner von ihnen ist mit einem derartigen Willen ausgestattet, als Kontrabassist großartige Musik in vollendeter Klanglichkeit zu interpretieren wie er. Denn – wenn die Quintstimmung auch über lange Zeit in der Orchestermusik praktiziert wurde – war er der erste, der damit höchst anspruchsvolle Meisterwerke interpretiert. Und für solche Aufgaben bringt die Quintstimmung  bei allen Vorteilen auch ganz erhebliche spieltechnische Schwierigkeiten mit sich.

 

Über Joel Quarrington

Mehr als vierzig Jahre lang war Joel Quarrington als Solobassist in renommierten Ensembles tätig, darunter in der „Canadian Opera Company“, im „Toronto Symphony Orchestra“, im kanadischen „National Arts Centre Orchestra“ and zuletzt im berühmten „London Symphony Orchestra“.

Er hat mit vielen der weltweit führenden Streichquartette gespielt, darunter dem Orford-, Vermeer-, Cleveland-, Colorado-, St. Lawrence-, Allegri-, Artis-, Leipzig- und Tokyo-Quartett sowie mit den Pinchas Zukerman Chamber Players. Deren Sony-Aufnahme von Schuberts Forellenquintett mit Yefim Bronfman wurde zu einem Klassiker. Quarrington fühlt sich besonders geehrt, 1982 an einer Aufnahmesession mit dem legendären Glenn Gould für dessen Soundtrack zu Timothy Findleys „The Wars“ teilgenommen zu haben. Das Werk – geschrieben für Solocello und Bass und basierend auf Brahms’ Intermezzi – war das letzte von Gould vor dessen frühem Tod.

Im April 2005 führte Quarrington mit dem Toronto Symphony unter dem Dirigenten Hugh Wolf John Harbisons Konzert für Kontrabass zum ersten Mal auf.

Joel Quarrington hat mehrere Soloaufnahmen eingespielt, die ihn – zumindest in der Basswelt – berühmt gemacht haben. Seine frühen Bottesini-Aufnahmen beim Label NAXOS werden von Kennern als herausragend angesehen. Im April 2010 gewann seine CD „Garden Scene“ den Juno Award für die beste klassische Aufnahme des Jahres. Im Juni 2013 erschien seine jüngste Aufnahme „Brothers in Brahms“ mit Musik von Robert Fuchs, Robert Schumann und einer Bearbeitung der 1. Violinsonate von Johannes Brahms. Die Einspielung mit dem kanadischen Pianisten David Jalbert wurde mit dem prestigeträchtigen „Prix Opus“ ausgezeichnet. Nach dem Erfolg veröffentlichten die beiden Musiker 2017 ihre Interpretation von Schuberts „An die Musik“.

2011 erhielt Joel Quarrington einen „Special Recognition Award for Outstanding Solo Performance“ von der International Society of Bassists. 2015 wurde ihm der gleiche Preis für eine „Outstanding Orchestral Performance“ verliehen.

Quarrington spielt einen italienischen Kontrabass, der 1660 vom italienischen Meister Santo Maggini gebaut wurde. Er ist ein begeisterter Verfechter der historischen Praxis, den Bass in Quinten (CGDA, eine Oktave tiefer als das Cello) anstatt in den heute üblichen Quarten zu stimmen.